Erklärung meiner Kandidatur für den Listenplatz 1 zur Bundestagswahl

Liebe Genoss*innen und Genossen,
in genau einem Jahr ist Bundestagswahl – und was für eine. Von einer Ablösung der GroKo ist auszugehen. Auch davon, dass es inmitten der Krisen dieser Tage ein sehr zugespitzter, fordernder Wahlkampf wird. Nachdem ich dem Landesvorstand mitgeteilt habe, dass ich wieder für den ersten Listenplatz zur Bundestagswahl kandidieren werde, ist heute der beste Tag, um Euch zu informieren: meine Basis, die mich in den bis jetzt drei Jahren als Bundestagsabgeordnete geerdet, beauftragt, bei Laune gehalten und unterstützt hat. Mit Eurem Vertrauen will ich meine politische Arbeit nach Kräften fortsetzen.

Im Land Bremen haben wir als verankerte Bewegungspartei und parlamentarische Kraft schon viel erreicht, in der Opposition wie auch jetzt in Regierungsverantwortung. Auf Bundesebene bereiten wir uns auf Veränderungen vor, die offen sind. Nach Jahren, die von Rechtsruck, Parteienbeben und einer (zunächst) ungewollten Regierungskonstellation gezeichnet waren, wird die nächste Wahlperiode unter anderen Vorzeichen stehen. Damit es solidarischer wird, müssen wir die soziale Frage neu stellen, uns und unsere Themen verbinden statt auseinander dividieren lassen, Transformationsgesetze z.B. zum Austausch von Hartz IV und Ehegattensplitting entwickeln, friedliche Konfliktlösungen und insgesamt linke Zukunftspolitik nach vorne bringen.

Die Zeiten sind kein Zuckerschlecken. Die kapitalistisch verursachten Krisen zwischen sozialer Spaltung und Klimawandel spitzen sich seit langem zu. Die Pandemie hat Existenzdruck verschärft und Gerechtigkeitskämpfe gleichzeitig in die Defensive gebracht – allein, weil es unter den nötigen Abstandsgeboten erstmal schwieriger wurde, Demos und Nähe zu organisieren. Jobs, Aufträge und Perspektiven sind weggebrochen, die Verwundbarsten verwundbarer geworden. Großkonzerne wie Amazon, Google, Lidl und ihre milliardenschweren Eigner haben dagegen profitiert.

Aber: Es gibt Türen, die sich geöffnet haben. Die Ausrichtung des Gesundheitssystems auf Profit und Fallpauschalen hat klar an Akzeptanz verloren. Debatten über eine grundlegende Aufwertung „reproduktiver“ Arbeit und notwendige Arbeitszeitverkürzung werden lauter. Schuldenbremsen wurden ausgesetzt. Tarifauseinandersetzungen stellen sich im Zuge der laufenden Verteilungskämpfe offensiver und grundsätzlicher auf. Diese Räume sind wichtig und wir müssen sie nutzen.

Es ist nicht akzeptabel, dass es z.B. Applaus für Pflegende und Maßnahmen gegen unethische Lieferketten gibt, aber auf Druck der Märkte, ihrer Profiteure und einer nach wie vor neoliberalen „Staatsräson“ der GroKo alles beim Alten bleibt. Auf einseitigen Reichtum ausgerichtete Löhne, Geschlechterrollen, Verteilmechanismen, Produktionsweisen müssen Platz machen: für sozialstaatliche Garantien, Steuer- und Klimagerechtigkeit, neue „Normalarbeitsverhältnisse“, Anti-Privatisierung öffentlicher Ressourcen, Umverteilung, die Anerkennung und Stärkung interkultureller und queerer Lebensrealitäten.

Eine starke LINKE wird gebraucht. Das nehme ich auch aus meinen Gesprächen in den Stadtteilen als Botschaft mit. Genauso brauchen wir die Verbände, (Selbst-)Organisationen und Aktiven, die für verdrängte Interessen und Solidarität kämpfen. Black Lives Matter, Pflegebündnisse, Seebrücke, Fridays for Future, Antikriegstag, Mieter*innenproteste, #Unteilbar, queerfeministische Demos, Veranstaltungsbranche: Sie haben in schwierigen Tagen die Lähmung durchbrochen und auch das Zerrbild rechter Proteste öffentlich korrigiert. Es ist also aus vielen Gründen Ehrensache, an ihrer Seite zu stehen und ihre Forderungen parlamentarisch zu vertreten. Das will ich weiter machen.

Als fachpolitische Sprecherin für Gleichstellungs-, Queer- und Medienpolitik habe ich viel mit Abwehrkämpfen gegen rechts zu tun. Ich bin froh, dabei mit meinen Fraktionsgenoss*innen nicht nur Haltelinien verteidigt zu haben, sondern auch Themen zu setzen und voranzutreiben: z.B. zu Equal Pay und Equal Care (gerechte Verteilung von Löhnen und Arbeit) und Paritätsgesetz. Zur Stärkung von Geschlechterperspektiven in der Krise. Für ein Verbot und eine Entschädigung von Zwangs-OPs an intergeschlechtlichen Kindern. Für Selbstbestimmung statt Begutachtungszwang nach Transsexuellengesetz (TSG). Für den Schutz von Journalist*innen auf der Straße und in der Redaktion, die Verteidigung von Pressefreiheit und öffentlich kontrollierter, demokratischer Medienordnung.

Unsere Überzeugungen bedeuten, dass wir uns mit den härtesten Brocken anlegen müssen: Gegen Rassismus und Rechtsruck, der mit dem Einzug von Nazis in den Bundestag 2017 einen Höhepunkt erreichte und sich durch unerträgliche Ereignisse wie Hanau und Halle aufs Schlimmste bestätigt hat. Gegen die von Regierung und NATO forcierte Aufrüstung und Militarisierung, die steigenden Rüstungsexporte, die tödliche Abschottung der EU und die Hilfsverweigerung der Bundesregierung bei Katastrophen wie Moria. Sich zwischen Bremen, Bremerhaven und Berlin weiter gegen harte Brocken und Widerstände für solidarische Programme und Perspektiven einzusetzen, dafür stehe ich mit Eurer Unterstützung bereit.

Mit solidarischen Grüßen, 
Doris