"Geschlecht(er) im Recht - Handlungsbedarfe zwischen Transsexuellengesetz, Non-Binarität und 'dritter Option'" - Bericht vom öffentlichen Fachgespräch im Bundestag

Am Montag, 24. September, hatten wir von der Linksfraktion im Paul-Löbe-Haus des Bundestags eingeladen zum Fachgespräch „Geschlecht(er) im Recht“. Der Saal war voll, vielen Dank an alle Beteiligten!

Zur rechtlichen Situation von intergeschlechtlichen und trans* Menschen sowie der gesetzlichen Lage in Deutschland und den immer noch fortlaufenden Menschenrechtsverletzungen trugen die Referent*innen Lucie Veith, Arn Sauer, Prof. Konstanze Plett und Dr. Petra Follmar-Otto ihre jeweiligen Expertisen vor. Im Anschluss tauschten sich die zahlreichen Gäste und anwesenden Fraktionskolleg*innen – Dr. Petra Sitte (stv. Fraktionsvorsitzende, Leiterin des AK IV), Cornelia Möhring (stv. Fraktionsvorsitzende, frauenpolitische Sprecherin), Dr. Achim Kessler (Sprecher für Gesundheitsökonomie), Friedrich Stratmanns (Fraktionsjustiziar) und ich (gleichstellungs- und queerpolitische Sprecherin) – umfassend aus. Es war ein Fachgespräch der bestmöglichen Art: fundiert, wertschätzend, konstruktiv.

Anlass unseres Zusammentreffens war der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung des vom Bundesverfassungsgericht geforderten positiven Geschlechtseintrags für Personen, die nicht unter die beiden bisher einzigen Möglichkeiten „männlich“ oder „weiblich“ fallen. Die Zeit drängt, bis zum Jahresende muss das Gesetz verabschiedet sein, so ist es vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 10. Oktober 2017 gefordert.

Der Entwurf des Innenministeriums (BMI), den die Regierung im August an Bundestag und Bundesrat zur Entscheidung weitergegeben hat, erfüllt die Ansprüche des Verfassungsgerichtsurteils und der Interessenverbände nicht. Weder ist die Selbstbestimmung der vom Gesetz Betroffenen gewährleistet, noch sind die Auswirkungen in zahlreichen weiteren Rechtsgebieten von Elternschaft bis zur Ehe angemessen durchdekliniert und ausgearbeitet worden. Äußerst kritikwürdig ist, dass das BMI zwei verschiedene Verfahren für Personengruppen einführen will, deren Zusammensetzung von der Medizin bestimmt werden (trans* gegenüber intergeschlechtlichen Menschen). Mit dieser Umsetzung würde der Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 des Grundgesetzes kurzerhand missachtet.

Das alles ist ein umso größeres Versäumnis des BMI, als dass es in der vergangenen Legislatur - die ja ebenfalls in einer großen Koalition bestritten werden musste - eine Interministerielle Arbeitsgruppe zu Trans*- und Intergeschlechtlichkeit gegeben hatte, derzufolge auch ausführliche Rechtsgutachten einen vernünftigen Gesetzentwurf ermöglichen könnten. Die Arbeitsergebnisse wurden allesamt vom Familienministerium (BMFSFJ) dokumentiert und zwischen 2015 und 2017 veröffentlicht.

Mit wenigen Handgriffen, so das Ergebnis unseres Fachgesprächs, ließe sich der unzulängliche Gesetzentwurf des BMI in eine bessere Lösung für den dann immerhin vollbrachten ersten Schritt umarbeiten:

1. Pathologisierung beenden!
Alle Regelungen für die Personenstands- und Vornamensänderungen können und sollten wir unabhängig von medizinischen Definitionen und Diagnosen gestalten. Keine Atteste, Gutachten oder Meinungen Dritter sollen maßgeblich für den Geschlechtseintrag eines Menschen sein.

2. Diskriminierungs- und Gewaltschutz gewährleisten!
Das TSG abzuschaffen, wäre konsequent und längst überfällig. Im Personenstandsgesetz müsste dann aber das sinnvolle Offenbarungsverbot des TSG integriert werden.

3. Kinder schützen!
Von staatlicher und gesellschaftlicher Diskriminierung sowie den Menschenrechtsverletzungen durch die aktuelle medizinische Praxis sind in besonderem Maße bislang Kinder und Jugendliche betroffen. Im Personenstandsrecht heißt Selbstbestimmung, wenn sie konsequent im Sinne der Kinder angewandt würde – dass Zuschreibungen und Eintragungen durch Dritte unterbleiben, bis das Kind selbst darüber Auskunft erteilen kann und z.B. beschränkt geschäftsfähig wird (mit Vollendung des 14. Lebensjahrs).

Mindestens genauso dringend wie die Ergänzung des Personenstandsrechts ist jedoch das Ende der geschlechtszuweisenden Operationen oder hormonellen Maßnahmen an Kindern, die von der Medizin als intergeschlechtlich oder „nicht eindeutig genug“ eingestuft werden. Diese Prozeduren sind, bis auf lebenserhaltende Ausnahmen, dringend gesetzlich zu unterbinden – weder Eltern noch Mediziner*innen sollen über die höchstpersönliche Intimsphäre eines Kinds entscheiden können.

Über die rechtlichen Regelungen des Personenstands oder der Gesundheitsversorgung hinausgehend brauchen wir in Deutschland für den Gewalt- und Diskriminierungsschutz im Alltag ein flächendeckendes Informations- und Bildungsangebot, um die herrschenden Vorurteile, Stigmatisierungen und diskriminierendes Verhalten abzubauen.

Ich danke Lucie Veith von Intersexuelle Menschen e.V. für den eindrucksvollen Eingangsvortrag, Arn Sauer von der Bundesvereinigung Trans* e.V., Prof. Konstanze Plett (Uni Bremen) und Dr. Petra Follmar-Otto (Institut für Menschenrechte) für ihre Impulsvorträge und praktischen Hinweise, den Kolleg*innen aus der Fraktion für ihre Beiträge, den Mitarbeiter*innen für die Unterstützung und allen Anwesenden für kluge Wortmeldungen und aufmerksames Dabeisein.