1 Prozent weniger Lohnungerechtigkeit als im Vorjahr bedeutet noch lange keine Trendwende – Gleichstellungspolitik der Bundesregierung bleibt viel zu defensiv
Wie das Statistische Bundesamt heute berichtet, betrug das Einkommensgefälle zwischen Männern und Frauen im Jahr 2019 durchschnittlich 19 Prozent. Der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen ist damit um 1 Prozent gegenüber 2018 gesunken und fällt im Bundesschnitt erstmals unter 20 Prozent. Doris Achelwilm, gleichstellungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, kommentiert:
„Das Einkommensgefälle zwischen Männern und Frauen bleibt in Deutschland mit 19 Prozent beträchtlich, ein Sprung nach vorne ist das knappe Unterschreiten der 20-Prozent-Marke nicht, eine Trendwende sieht anders aus. Vielmehr ist zu erwarten, dass dieses minimale Vorankommen im Jahr 2020 wieder aufgezehrt wird, weil Frauen im Zuge der Pandemie-bedingten Einschränkungen nachweislich stärker als Männer bei der Erwerbsarbeit zurückstecken.
In dieser Legislaturperiode hat die GroKo mit der Gleichstellungsstrategie oder dem Führungspositionengesetz II zwar einige Überschriften für mehr Geschlechtergerechtigkeit produziert, aber die Wirkung ist bescheiden – insgesamt bleiben die Akzente der Bundesregierung weit unter der erforderlichen Durchschlagskraft. Das Entgelttransparenzgesetz gewährt unter hohen Voraussetzungen leicht verbesserte Auskunftsrechte, aber keine Sanktionen oder Verbandsklagerechte und zeitigt damit eher theoretische statt praktische Effekte. Die erneuerte Frauenquote für Unternehmensvorstände wird nur sehr wenige Frauen erreichen. Eine echte Aufwertung von Fachberufen, die weitgehend Frauen ausüben, wie z.B. im Einzelhandel oder in der Pflege, steht weiter aus. Und selbst in diesen ‚frauendominierten‘ Branchen zieht sich das Bild durch, dass höhere Positionen eher männlich besetzt werden, während Teilzeitstellen oder niedriger entlohnte Jobs – oft familienbedingt – überwiegend Frauen bekleiden.
Als Linksfraktion fordern wir vor diesem Hintergrund, dass bei Planung und Vollzug des Bundeshaushalts systematisch auf geschlechtergerechte Analysen, Ziele, Strategien und Ausgaben gesetzt wird. Wenn kein grundlegender, ressortübergreifender Paradigmenwechsel zur Behebung struktureller Nachteile aufgrund des Geschlechts und damit einhergehender Rollenerwartungen und Arbeitsteilungen passiert, wird jede Krise auf dem Rücken von Frauen verlaufen.
Gleichstellungspolitik spielt in der Politik der Bundesregierung eine viel zu defensive, nebensächliche und symbolische Rolle. Es reicht nicht, im Schneckentempo voranzukommen oder auf ungerechtem Niveau zu stagnieren. Auch angesichts eines arbeitsmarktpolitischen Wandels durch die Digitalisierung müssen neue Prioritäten für die gerechte Verteilung bezahlter Arbeitszeit und unbezahlter Tätigkeiten in der Familie auf die Tagesordnung, für paritätisch geförderte Elternzeiten und die grundlegende Aufwertung sozialer, sorgender Aufgaben. Das Ehegattensplitting als falscher Anreiz für traditionelle Arbeits- und Einkommensverteilungen, der vor allem in den westdeutschen Bundesländern ‚zieht‘, muss gerechten und zeitgemäßen Modellen sozial ausgleichender Familien- und Kinderförderung weichen.“
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