Situation von LSBTIQ* in Polen - Bundesregierung muss EU-Ratspräsidentschaft offensiv für den Schutz queerer Minderheiten nutzen

Queerpolitik

Anlässlich einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion zu "LGBT-freien Zonen" in Polen und die Entwicklung der Lebenssituation von LSBTI* in Polen seit 2015 erklärt Doris Achelwilm, Sprecherin für Gleichstellungs- und Queerpolitik der Linksfraktion: 

Seit der Regierungsübernahme der nationalkonservativen Partei Prawo i Sprawiedliwość (PiS), die bereits im Vorfeld der polnischen Parlamentswahl 2015 massiv gegen die sogenannte „LGBT-Ideologie“ auftrat, hat sich die Lage von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, intergeschlechtlichen und queeren Menschen (LSBTIQ*) in Polen drastisch verschlechtert. In weiten Teilen Polens wurden und werden Regierungsbezirke (Wojewodschaften) zu sogenannten „LGBT-freien Zonen“ erklärt, die sich bereits über ein Drittel der Gesamtfläche Polens erstrecken. Bislang ist es den Nationalkonservativen nicht gelungen, ihre queerfeindlichen Resolutionen gesetzlich zu verankern, was ein Erfolg der LSBTIQ*-Organisationen und ihrer Bündnispartner im Land ist. Gleichwohl verschärfen sich Ressentiments und Minderheitendruck gegen queere Menschen unter diesen Vorzeichen.

Mit einer Kleinen Anfrage hat die Linksfraktion gefragt, wie der Kenntnisstand der Bundesregierung über die Entwicklung der Lebenssituation queerer Menschen in Polen ist, was aus ihrer Sicht die Situation verbessert, welche Möglichkeiten auf EU-Ebene hierzu genutzt werden und wie sie die allgemeine menschenrechtliche Situation in Polen insbesondere in Bezug auf die Justizreform 2015 bewertet.

In ihrer Antwort teilte die Bundesregierung mit, dass sie die Initiativen gegen LSBTIQ*-Personen in Polen „mit großer Sorge“ betrachte. Der Einsatz für queere Rechte sei laut Bundesregierung ein „Schwerpunkt der deutschen Menschenrechtspolitik“. Ebenso erwarte die Bundesregierung von jedem europäischen Mitgliedsstaat, dass „Menschenrechte und die Grundwerte der EU einschließlich des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung (Art. 21 EU-GrCh) geachtet werden“. 

Doris Achelwilm, Sprecherin für Gleichstellungs- und Queerpolitik, kommentiert: „Das Selbstverständnis der Bundesregierung, sich vor Ort sowie auf EU-Ebene aktiv für die Gleichstellung von LSBTIQ* einzusetzen, ist offenbar da. Aber es sollte auch im Handeln der Bundesregierung erkennbar sein. Die Bundesregierung muss in Zeiten, in denen queere Grundrechte in EU-Ländern wie Ungarn und Polen offen aufgekündigt werden, Verantwortung übernehmen und sich deutlicher für die Betroffenen stark machen. Die Europäische Kommission hat vor wenigen Tagen die ‚Marschalle‘ von fünf Wojewodschaften, die sich zu LGBT-freien Regionen erklärt haben, aufgefordert, Stellung zu Initiativen zu nehmen, die geltendes EU-Recht verletzen. Auch wurde die Überprüfung bzw. mögliche Kürzung von EU-Fördermitteln angekündigt. Im Zuge ihrer Ratspräsidentschaft sollte die Bundesregierung ab Juli 2020 hier ansetzen und die Situation zum Schwerpunktthema machen. LSBTIQ* in Polen brauchen mehr konkrete Unterstützung.“ 

Auch dass zivilgesellschaftliche Initiativen wie die rund 450 kommunalen Partnerschaften zwischen polnischen und deutschen Städten und Regionen hier Gesicht zeigen und die Situation im Austausch ansprechen, ist unbedingt von Vorteil. Achelwilm: „Es ist gut, wenn die Menschenrechtslage von LSBTIQ* nicht als Nebensache betrachtet, sondern als Maßstab der gemeinsamen Partnerschaft thematisiert wird. Gerade in Hinblick auf die anstehende Präsidentschaftswahl spielt die ‚LSBTIQ*-Frage‘ eine akute Rolle, da Rechtskonservative im Wahlkampf queerfeindliche Rhetorik bedienen, um Stimmungen zu kanalisieren und oppositionelle Herausforderer als für Polen gefährliche Vertreter der ‚Regenbogen-Ideologie‘ herauszustellen. In diesem Konfliktfeld deutliche Signale zu setzen, ist auf jeder Ebene wichtig, erfordert aber in der Konsequenz entsprechende Maßnahmen von Bundesregierung und EU. Deutsch-polnische Austauschprogramme sind in diesem Sinne zu fördern; die EU-Ratspräsidentschaft muss für dieses Thema genutzt werden. Auch in Sachen queerrechtlicher Klarheit auf Bundesebene besteht noch Nachholbedarf, etwa, was die rechtliche Anerkennung von trans* Personen im Personenstandsrecht sowie von lesbischen Zwei-Mütter-Familien im Abstammungsrecht anbetrifft.“

 

Die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE „‘LGBT-freie Zonen‘ in Polen und die Entwicklung der Lebenssituation von LSBTI* in Polen seit 2015“ steht hier zum Download bereit.

Ein PDF dieser Pressemitteilung können Sie hier herunterladen.