Pressemitteilung: LINKE beantragt, dass Trans*-Gesundheitsversorgung gesetzlich garantierte Kassenleistung wird

Die Fraktion DIE LINKE hat diese Woche den Antrag „Trans*-Gesundheits­versorgung in die Regel­leistungen der gesetzlichen Krankenkassen aufnehmen“ in den Bundestag gebracht.

Doris Achelwilm, queerpolitische Sprecherin der Linksfraktion, kommentiert: „Wir müssen den bürokratischen Hürdenlauf für trans* Personen bei den Krankenkassen beenden. Die Abschaffung des diskriminierenden Transsexuellengesetzes wird diese Legislaturperiode leider nicht mehr kommen. Umso dringlicher muss dafür gesorgt werden, dass die Gesundheitsversorgung im Zuge etwa einer Geschlechtsangleichung (Transition) nicht länger unter kolossal falschen Voraussetzungen stattfindet. Es ist höchste Zeit, dass die Krankenkassen die Bedarfe von trans* Personen regulär anerkennen statt zurückweisen. Der standardmäßige Verweis auf psychologische Angebote ist hier keine Lösung, sondern ein unhaltbares Problem.“

Erst vor wenigen Tagen hat die Bundespsychotherapeuten-Kammer (BPtK) den Therapiezwang, dem trans* Personen im Zuge einer Transition unterliegen, scharf kritisiert und eine Rücknahme der entsprechenden Richtlinie gefordert. Aktuell darf der Medizinische Dienst ‚einer Geschlechtsangleichung bei Transsexuellen nur zustimmen, wenn sie sich vorher mindestens sechs Monate und mindestens zwölf Sitzungen à 50 Minuten psychotherapeutisch behandeln lassen‘, informiert die BPtK in ihrer Pressemitteilung (www.bptk.de/keine-zwangs-psychotherapie-bei-transsexuellen).

Achelwilm: „Es freut mich sehr, dass die Psychotherapeutenkammer sich gegen den Therapiezwang so klärend zu Wort gemeldet hat. Aus fachlicher Sicht muss die ablehnende Praxis gegenüber der medizinischen Versorgung von trans* Personen längst der Vergangenheit angehören. Was fehlt, ist, dass die Krankenkassen endlich mitziehen.“

Der LINKEN-Antrag fordert eine verbesserte Kostenübernahme für operative Maßnahmen, für Epilation oder Hilfsmittel wie z.B. Kompressions­westen zur Überbrückung sog. Geschlechtsinkon­gruenzen. ‚Geschlechtsinkongruenz‘ ist die von der Weltgesundheits­organisationen (WHO) 2018 eingeführte Diagnose für trans* Personen, die die frühere diskriminierende Diagnose einer psychischen Identitätsstörung ersetzt. Mit Jahresbeginn 2022 wird die überarbeitete Klassifikation der Krankheiten und gesundheits­bezogenen Bedarfe ICD-11 auch in Deutschland in Kraft treten.

Auf dieser Grundlage und angesichts der ebenfalls 2018 veröffentlichen neuen Behandlungs­leitlinien der deutschen Fachgesellschaften kann und sollte das bis dato sehr aufwändige Prüfverfahren durch die Krankenkassen entfallen. Doch von einer geänderten Praxis keine Spur: Trotz neuer Rahmenbedingungen kommt es bei der Kassen-Bearbeitung von Anträgen zur Trans*Gesundheit weiterhin zu starken Verzögerungen; viele Bedarfe werden wegen kleiner Formfehler abgelehnt. Betroffene Versicherte müssen auf selbstgezahlte Operationen ausweichen oder lange Zeit mit nachteiligen Gesundheitsfolgen für die Behandlung sparen. Im Bewilligungsverfahren des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK), das erst 2021 aktualisiert wurde, ist weiterhin eine Psychotherapie verpflichtend nachzuweisen, die absurderweise darauf hinwirken soll, ‚den Leidensdruck zu lindern‘.

Doris Achelwilm abschließend: „Die Krankenkassen haben nicht gegen das Wissen von Betroffenen und Fachwelt über Leidensdruck zu mutmaßen, sondern Bedarfe und Fachexpertise anzuerkennen. Wenn eine Geschlechtsinkongruenz in Bezug auf den eigenen Körper besteht und selbstbestimmte Maßnahmen zur Überwindung erforderlich sind, ist es ein Unding, ersatzweise auf psychotherapeutische Behandlungen zu verweisen. Dass auch die jüngsten Vorgaben des MDK den fachlichen Erkenntnissen und Empfehlungen entgegenlaufen, ist inakzeptabel. Gesundheit ist ein universelles Grundrecht. Eine adäquate, dem aner­kannten Stand der Wissenschaft entsprechende Gesundheitsver­sorgung für trans* Personen sollte Standard sein – erst recht nach all den Jahrzehnten der Psychopatho­logi­sierung und Stigmatisierung.“

Der LINKEN-Antrag „Trans*-Gesundheitsversorgung in die Regelleistungen der gesetzlichen Krankenkassen aufnehmen“ findet sich hier.

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