Ohne Verständnis: Gesetzentwurf der Bundesregierung zur ‚Dritten Option‘ bleibt hinter den Möglichkeiten zurück

ThemenQueerpolitik

Vier Jahre lang gingen Aktivist*innen für eine „Dritte Option“ durch alle richterlichen Instanzen, bis das Bundesverfassungsgericht ihnen im Oktober letzten Jahres endlich Recht gab: Der Gesetzgeber wurde dazu verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2018 im Personenstandsrecht neben „weiblich“ und „männlich“ eine dritte, positive Option zum Geschlechtseintrag einzuführen oder ganz auf einen Geschlechtseintrag zu verzichten. Heute hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf vorgelegt, der dem Anspruch eines diskriminierungsfreien Personenstandsgesetzes nachkommen soll. Doris Achelwilm, queerpolitische Sprecherin der Linksfraktion, kommentiert: 

„Es ist vermutlich dem breiten Protest aus den trans*- und inter*-Communities zu verdanken, dass der Entwurf wenigstens auf die gänzlich achtlosen Personenstandsoptionen ‚anderes‘ oder ‚weiteres‘ verzichtet. Ansonsten bleibt es leider dabei, dass er weitgehend über die Interessen und Vorschläge der Betroffenen hinweg erarbeitet wurde und hinter den Möglichkeiten eines zeitgemäßen Geschlechtervielfaltsgesetzes weit zurückbleibt. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts war ein Meilenstein. Umso trauriger, dass es im Innenministerium von Horst Seehofer nun nicht auf Verständnis und Gegenliebe trifft, sondern so minimal wie möglich umgesetzt werden soll. Familienministerin Franziska Giffey spricht immerhin von Selbstbestimmung als Dreh- und Angelpunkt und positiver Identität, aber der Gesetzentwurf genügt diesem Anspruch nicht. Warum hält er an den für die Betroffenen entwürdigenden medizinischen Begutachtungen fest? Warum zielt er nur auf inter* Personen ab, statt ein umfassendes ‚Geschlechtervielfaltsgesetz‘ zu ermöglichen, in dem sich jede*r selbstbestimmt verorten und eine positive Geschlechtsidentität entwickeln kann?“ 

DIE LINKE fordert ein unkompliziertes, selbstbestimmtes Verfahren für den Eintrag und die Änderung des rechtlichen Geschlechts. Pathologisierung, Diskriminierung und Gutachtenpflichten müssen ein Ende haben. Das Transsexuellengesetz mit den psychisch belastenden Gerichtsverfahren samt Gutachten gehört abgeschafft, medizinisch nicht notwendige geschlechtsangleichende Operationen an Säuglingen und Kindern müssen im Grundsatz verboten werden. Das Abstammungsrecht sollte vielfältige Familienformen anerkennen: Automatische Mutterschaft bei Zwei-Mütter-Ursprungsfamilien muss ebenso selbstverständlich möglich sein wie Elternschaft für trans* Menschen. 

Die Bundestagsfraktion DIE LINKE wird mit zahlreichen Expert*innen über notwendige Änderungen beraten und lädt zu diesem Anlass am 24. September zu einem öffentlichen Fachgespräch im Paul-Löbe-Haus ein. Mehr dazu in Kürze.