Körperliche Selbstbestimmung für alle: Linksfraktion beantragt Stopp der geschlechtszuweisenden OPs an Kindern

ThemenQueerpolitik

Seit den 1950er Jahren werden Genitalien oder hormonproduzierende Keimdrüsen von intergeschlechtlichen Menschen operativ an medizinische Normen von männlichen oder weiblichen Körpern angepasst. Die meisten Eingriffe erfolgen in den ersten Lebensjahren. Rund die Hälfte der operierten oder hormonell behandelten Personen mit intergeschlechtlichen Merkmalen berichtet von negativen Folgen bis hin zur Erwerbsunfähigkeit. Die Fraktion DIE LINKE im Bundestag hat auf Initiative von Doris Achelwilm nun einen Antrag zum Stopp normierender Operationen an intergeschlechtlichen Kindern eingereicht. 

Die gleichstellungs- und queerpolitische Sprecherin der Linksfraktion kommentiert: „Rechtsprechung und Medizin haben Geschlecht hierzulande sehr lange Zeit auf die zwei Kategorien ‚männlich‘ und ‚weiblich‘ begrenzt. Dass diese Zuordnungspraxis spätestens mit der ‚Dritten Option‘ im Personenstandsrecht seit Dezember 2018 Geschichte ist, bedeutet eine wichtige Anerkennung der Realität geschlechtlicher Vielfalt. Leider ist die körperliche Unversehrtheit und freie Persönlichkeitsentfaltung von intergeschlechtlichen Kindern mit der ‚Dritten Option‘ aber nicht sichergestellt. Den Änderungen im Personenstandsrecht folgten bislang keine Anpassungen im veralteten Transsexuellengesetz. Auch die OP-Praxis an intergeschlechtlichen Kindern ist seit Jahren weitgehend unverändert.“ 

Zwischen 2005 und 2016 wurden jährlich rund 20 bis 28 Prozent der Kinder unter 10 Jahren medizinisch behandelt, die eine der unter ‚Varianten der Geschlechtsentwicklung‘ zusammengefassten Diagnosen erhielten. Insgesamt werden in Deutschland pro Jahr rund 1.700 bis 2.000 feminisierende und maskulinisierende Operationen an Kindern durchgeführt. Mit der medizinischen Praxis verbunden war und ist die Vorstellung, dass eine Anpassung zu einem körperlich oder psychisch gesünderen Leben beitragen würde. Diese Einschätzung hat sich unter Expert*innen und Betroffenen als falsch herausgestellt. 

Der gesetzgeberische Handlungsbedarf in Bezug auf die Operationspraxis an Minderjährigen mit intergeschlechtlichen Merkmalen ist über mehrere Legislaturperioden im Bundestag thematisiert worden. Die Regierungsparteien hatten sich Anfang 2018 im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, eine entsprechende Regelung in dieser Legislatur zu schaffen. Ein Antrag der Linksfraktion zum Gesetzgebungsverfahren „Dritte Option“, der den Punkt eines OP-Verbots enthielt, wurde abgelehnt. Die Bundesregierung ist über die UN-Folterkonvention (CAT), die UN-Kinderrechtskonvention (CRC) und die UN-Frauenrechts-konvention (CEDAW) in der Pflicht, eine wirksame Verbotsregelung für diese (in den allermeisten Fällen) medizinisch nicht notwendigen Behandlungen einzuführen. 

Doris Achelwilm abschließend: „Obwohl sich in Wissenschaft und Politik mehrheitlich für eine Beendigung der OP-Praxis ausgesprochen wird, steht hier die Zeit still. Ein Rückgang an geschlechtsnormierenden OPs ist leider nicht festzustellen. Damit das Recht eines jeden Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung endlich wahr wird, muss die GroKo ihren Absichtserklärungen Taten folgen lassen und gesetzliche Maßnahmen auf den Weg bringen. Seit 2012 ist das Thema im Bundestag virulent und wurde ausführlich beraten und besprochen. Warme Worte reichen uns nicht mehr – und den Betroffenen erst recht nicht.“ 


Der LINKEN-Antrag „Stopp der geschlechtszuweisenden Operationen an Kindern“ findet sich hier: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/090/1909056.pdf