„Geschlechtliche Selbstbestimmung und Menschenrechte gewährleisten" – Linksfraktion im Bundestag reicht Antrag zur dritten Option ein

Am heutigen Donnerstag wird im Plenum gegen 18 Uhr über den Entwurf der Bundesregierung zum „Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben" debattiert. Dieser Gesetzentwurf ist die Reaktion der Bundesregierung auf den Beschluss des Verfassungsgerichts (BVerfG) vom 10. Oktober 2017 zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben: Demnach ist ein Personenstandsrecht, das nur Geschlechtseinträge für Männer und Frauen vorsieht, nicht verfassungsgemäß. Bis Ende dieses Jahres muss der binäre Geschlechtseintrag im Personenstandsrecht nun für eine positive dritte Option geöffnet werden (alternativ kann auf Vorschlag des BVerfG ganz auf den Geschlechtseintrag verzichtet werden). Die Linksfraktion hat einen eigenen Entschließungsantrag eingereicht, der zusammenfasst, welche geschlechterrechtlichen Maßnahmen aus ihrer Sicht im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens erfolgen müssen.

Doris Achelwilm, queerpolitische Sprecherin der Linksfraktion, erklärt: „Der Gesetzentwurf zur Umsetzung der dritten Option bleibt hinter dem, was möglich und nötig ist, weit zurück. Das Ziel ist keine formalistische Minimallösung, sondern ein rechtlicher Paradigmenwechsel, der geschlechtliche Vielfalt und Selbstbestimmung, Gleichbehandlung und körperliche Unversehrtheit für alle sicherstellt. Zentrale Kritikpunkte am Gesetzentwurf aus dem Bundesinnenministerium sind, dass er weiter Attestpflichten vorsieht und bei der Ermöglichung eines nicht-binären Geschlechtseintrags die Bedürfnisse von trans* weitgehend ausschließt. Da die Geschlechtsidentität nicht unbedingt von körperlichen Attributen abhängt, muss die Selbstaussage zum eigenen Geschlecht bindend sein. Die Praxis vorgeschriebener Zwangsuntersuchungen und Gerichtsentscheidungen gegenüber Menschen, die ihr Geschlecht gegen äußere Zuschreibungen selbst bestimmen wollen, muss beendet werden. Es ist an der Zeit, das auch im vorliegenden Gesetzentwurf weiterhin restriktive Verfahren zur Personenstandsänderung zu einem einfachen Verwaltungsvorgang zu machen. Die Selbstauskunft der Bürger*innen bei der Antragstellung im Standesamt sollte genügen. Diese Selbstauskunft kann ab dem 14. Lebensjahr erteilt werden."

Die Linksfraktion fordert auch die Bearbeitung der menschenrechtlichen Missstände in Bezug auf intergeschlechtliche Kinder: Es braucht eine gesetzliche Klarstellung, dass Operationen und Hormonbehandlungen an ihnen nicht länger von Dritten verfügt werden können, sofern dies nicht existenziell nötig ist. Wenn der Gleichbehandlungsgrundsatz, auf den sich das Verfassungsgericht beruft,  gelten soll, muss mit der Änderung des Personenstandsgesetzes auch das Transsexuellengesetz (TSG) aufgehoben werden. Es pathologisiert und ist nach diversen Gerichtsentscheidungen ohnehin nur noch eine Ruine. Zur Verbesserung des Schutzes vor Diskriminierung und Gewalterfahrungen muss der Offenbarungsschutz aus dem alten TSG in das Personenstandsrecht übernommen und ergänzt werden. Zu den wichtigen Dingen, die aktuell für eine rechtlich und im Alltag geschützte Geschlechtervielfalt noch zu tun sind, gehören Beratungsangebote und Bildungsarbeit in der Breite der Bevölkerung, am Arbeitsplatz und in den Behörden. „Die Bundesregierung und ihr Gesetzentwurf haben hier noch ein Stück Weg vor sich, den wir im Bundestag und auf der Straße aktiv begleiten und mit voranbringen wollen", so Achelwilm.


Den Antrag können Sie hier als Drucksache 19/4828 einsehen.