Reporter Ohne Grenzen veröffentlichen Rangliste der Pressefreiheit 2019: Europa fällt zurück, auch in Deutschland könnte die Lage besser sein

Reporter Ohne Grenzen (ROG) hat heute die neue Rangliste der Pressefreiheit 2019 veröffentlicht. Europa gehört zu den Regionen, wo sich Unabhängigkeits- und Arbeitsbedingungen für die freie Presse deutlich verschlechtern. Politische Journalist*innen und Redaktionen sind vielfach Druck und Hass aus allen Richtungen ausgesetzt - ob durch rechtspopulistische Regierungen, die Kritik ausschalten wollen; (wirtschafts-)kriminelle Strukturen, die Enthüllung fürchten; oder durch Bevölkerungsteile, die "die Medien" (bzw. "Lügenpresse") verantwortlich machen für gesellschaftliche Probleme.

In Deutschland stellt sich die Lage anders dar als z.B. in Tschechien, Polen oder dem ebenfalls rechts-regierten Österreich. Aber rosig ist der Stand der Pressefreiheit trotz Hochrutschens im Länderranking von 15 auf 13 beileibe nicht. So sehr es in anderen Ländern schlimmer sein mag, auch hier nehmen die Gründe zu, genau hinzuschauen und gegenzusteuern. Die Zahl der tätlichen Angriffe gegen Journalistinnen und Journalisten ist 2018 gestiegen: Laut Reporter ohne Grenzen waren es letztes Jahr mindestens 22 Fälle, 2017 wurden 16 gemeldet/registriert. Zu Gewalt kam es v.a. am Rande rechtspopulistischer/neonazistischer Veranstaltungen wie in Chemnitz. Problematisch sind laut ROG auch neuere Gesetze wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz und das BND-Gesetz, das die Überwachung ausländischer Journalistinnen und Journalisten im Ausland durch den Bundesnachrichtendienst erlaubt.

Die Einschätzungen von ROG teile ich. Journalist*innen sind Berufsgeheimnisträger*innen. Der notwendige Schutz ihrer Informationen muss rechtlich sichergestellt sein.

• Es braucht auch in D'land ein Whistleblower-Schutzgesetz. Dass in mehreren Ländern wegen der überaus wichtigen Cum-Ex-Enthüllungen gegen Journalisten und Hinweisgeber ermittelt wurde, ist ein Skandal.

• Bei neuen Befugnissen im Polizei- und Nachrichtendienstrecht, z.B. der Quellen-Telekommunikationsüberwachung, werden Journalist*innen nicht ausreichend geschützt.

• In Sachen Informationsbeschaffung von öffentlichen Stellen ist die Rechtslage lückenhaft, da flächendeckende Informationsfreiheitsgesetze und effektive Presseauskunftsrechte fehlen. Das führt dazu, dass Bundesbehörden langwierige Anstrengungen unternehmen, um ihre Verpflichtung zur Auskunftserteilung zu umgehen.

• Durch die Uploadfilter der neuen EU-Urheberrechtsrichtlinie schließlich droht Overblocking von online vermittelten Informationen, was wiederum den Informationsansprüchen der Öffentlichkeit zuwiderläuft.

• Unhaltbar sind die wiederholten Fälle jahrelanger rechtswidriger staatlicher Überwachung von Journalist*innen, die zur rechtsextremen Szene recherchierten.

• Im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Hamburg im Jahr 2017 wurden dutzende Reporter*innen zu Unrecht an der Berichterstattung gehindert.

• Oft füllt die Polizei ihre Schutzfunktion gegenüber Medienvertreter*innen nicht zuverlässig aus, die Dunkelziffer nicht angezeigter Übergriffe auf Journalist*innen dürfte beträchtlich sein.

Wo Medien die Arbeit erschwert wird und sie in der Konsequenz nicht über politische Missstände berichten können, wo kritische Journalist*innen bei der Berufsausübung gefährdet sind, ist auch demokratische Meinungsbildung und öffentliche Kontrolle bedroht. Es braucht in diesem Sinne mehr Sensibilität und Debatten. Es ist notwendig, die Arbeit und Kommunikation von Journalist*innen gesetzlich zu schützen: Das Zeugnisverweigerungsrecht muss ebenso wie der umfassende, kostenlose Zugang zu Informationen von Bundesbehörden und Legislative unter Ermöglichung von Eilverfahren für Medienschaffende sichergestellt sein.

Pressefreiheit schützen und stärken!