Nachgelesen: „Paragraf 219a bleibt eine vollkommen sinnlose Schikane ungewollt schwangerer und hilfesuchender Frauen“

Jahrelang wurde er nie angewendet und geriet nahezu in Vergessenheit, bis es sich 2015 ein Mathematikstudent zum Hobby machte, Ärzte, die auf ihrer Website darauf hinwiesen, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, anzuzeigen: § 219a StGB, der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch verbietet, ist hochumstritten und soll nun reformiert werden.

Besonders der Fall von Kristina Hänel hat große mediale Reaktionen hervorgerufen: Auf der Website der Gießener Allgemeinmedizinerin fand sich ein Hinweis darauf, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführe. Da dies nach Ansicht des Gießener Landgerichtes eine nach § 219a unzulässige Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch zu ihrem eigenen Vermögensurteil darstelle, wurde sie zu einer Geldstrafe in Höhe von 6 000 Euro verurteilt. Im Anschluss brach eine gesellschaftliche und politische Debatte über dieses sogenannte Werbeverbot aus und Kristina Hänel eröffnete auf der Plattform change.org eine Petition für das „Informationsrecht“ für Frauen zum Schwangerschaftsabbruch, die bisher mehr als 150 000 Menschen unterzeichnet haben.

Nun hat sich die Große Koalition auf einen Kompromiss geeinigt, der die Situation sowohl für Ärzt*innen als auch für ungewollt Schwangere erleichtern soll, ohne aber den Paragrafen vollständig zu entfernen, wie es von der Opposition und auch vielen SPD-Politikern gefordert wurde. Nach dem Gesetzesentwurf des Justizministeriums zur Reform des Paragrafen, der in der heutigen Sitzung des Bundeskabinetts gebilligt wurde, soll es Ärzten nun möglich sein, darauf hinzuweisen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Allerdings bleiben weitergehende Informationen, z.B. über die verwendeten Methoden, verboten, sodass Betroffene hierfür auf Angaben öffentlicher Stellen wie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zurückgreifen müssen.

Dieser Gesetzentwurf scheint zunächst einmal ein sinnvoller Kompromiss, schließlich ist nun erst einmal die Information über Schwangerschaftsabbrüche legal. Dennoch bleibt er eine vollkommen sinnlose Schikane ungewollt schwangerer und hilfesuchender Frauen. Gerade in psychisch belastenden  Situationen sollten Betroffene so einfach wie möglich Zugang zu medizinischen Informationen haben. Und genau darum geht es: Informationen über medizinische Vorgänge. §218 und somit der Abtreibungskompromiss stehen gar nicht zur Debatte, es geht einzig und allein um die Frage, ob Frauen der einfache Zugang zu Informationen über die ja gegebene Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruches gewährt wird oder möglichst erschwert wird. Dass Ärzte also weiterhin nicht alle Informationen über Schwangerschaftsabbrüche veröffentlichen dürfen, ist unverständlich.

Es ist schließlich bei einer Aufhebung dieses sogenannten Werbeverbots nicht davon auszugehen, dass die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche plötzlich rasant anstiege, denn es entschließt sich sicherlich keine Frau für einen Abbruch, nur weil der Arzt ihres Vertrauens „Werbung“ für einen macht. Überhaupt, dieser Begriff des Werbeverbotes. Bei Werbung denkt man an große Zeitungsanzeigen, grelle Leuchtreklame und tolle Rabattaktionen. Ist irgendetwas davon für Abtreibungen vorstellbar? Wie soll Werbung für Abtreibung also aussehen und was soll sie bewirken? Es würde wohl niemand absichtlich schwanger werden, um danach abtreiben zu können, weil das doch laut der Werbung ganz toll sein soll. Für etwas wie Schwangerschaftsabbrüche gibt es schlichtweg gar kein Potenzial zur Kommerzialisierung, entweder möchte eine schwangere Frau abtreiben, dann hat sie das Recht auf einen möglichst einfachen Zugang zu Informationen, oder sie möchte es nicht, dann wird sie sich aber sicherlich nicht wegen eines kurzen Hinweises auf der Website eines Arztes anders entscheiden.

Der § 219a erfüllt also nicht seinen Zweck der Verhinderung der Kommerzialisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, sondern erschwert den Betroffenen den Zugang zu Informationen zu einem Schwangerschaftsabbruch. Die nun geplante Reform erleichtert die Situation nun, wünschenswert wäre aber eine vollkommene Streichung, um Frauen die Möglichkeit zu geben, eigenverantwortlich und mithilfe aller nötigen Informationen zu entscheiden, was in ihrem Bauch passiert.

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