„Politisch vernachlässigt“: Maßnahmen gegen den Pflege-Notstand

In der Rubrik "Heute in Bremen" veröffentlichte die taz-Lokalredaktion der Hansestadt ein Interview mit unserer Linkspartei-Landessprecherin und Spitzenkandidatin für den Bundestag, Doris Achelwilm.

 

Dieses Gespräch veröffentlichen wir mit freundlicher Genehmigung der taz Bremen-Redaktion und dem Journalisten Philipp Nicolay.

Anlässlich der Veranstaltung "Pflege- und Sorgearbeit aufwerten: Neue Wege für solidarische und gute Care-Strukturen" veröffentlichte die taz-Lokalredaktion der Hansestadt in ihrer Rubrik "Heute in Bremen" ein Interview mit der Bremer Linkspartei-Landessprecherin und Spitzenkandidatin für den Bundestag, Doris Achelwilm.

taz: Frau Achelwilm, welche konkreten Maßnahmen fordern Sie, um die Pflegearbeit aufzuwerten?
Doris Achelwilm:
Wir brauchen eine gesetzliche Mindestpersonalbemessung, die an Pflegebedarfen ausgerichtet ist. Und die Beschäftigten müssen deutlich besser bezahlt werden – wir fordern einen Pflegemindestlohn von 14,50 Euro.

Drittens braucht es Qualifizierungsangebote, die beruflichen
Aufstieg ermöglichen und den Stellenwert von Pflegeberufen
erhöhen.

Was sind aus Ihrer Sicht die derzeit größten Missstände?
Ganz klar: der akute Personalmangel. In Bremen sollen allein in Krankenhäusern und Altenheimen über 1.500 Pflegekräfte fehlen. Unzumutbare Zustände, wie sie zuletzt im Heim O’Land aufgetreten sind, wo Demenzkranke gepflegt werden, haben oft strukturelle Ursachen. Dagegen hilft, Überlastungen und unterbesetzte Schichten zu stoppen und eine gute Versorgung zum Standard zu machen.

Wie können gerade SchulabsolventInnen mehr für die Pflegeberufe begeistert werden?
Bessere Bezahlung, gerade im ambulanten Bereich. Azubis erhalten hier pro Monat nochmal rund 100 Euro weniger als in stationären Einrichtungen. Auch die Ausbildungsqualität muss zur Verantwortung passen, die die Fachkräfte später tragen.

Stehen wir dann bald vor einem großen Chaos in dieser Branche?
Höchstwahrscheinlich. Der gesamte Care-Bereich, also die gesellschaftlich notwendige Pflege- und Sorgearbeit, wird politisch vernachlässigt – bestimmt auch, weil hier vor allem Frauen arbeiten. Die derzeitige Regierung kommt nicht auf die Idee, einen großen „Pflege-Gipfel“ durchzuführen, wie man es mit dem Auto-Kartell sofort gemacht hat. Dabei ist auch der Notstand in der Pflege fatal.

Hätte die Politik im Hinblick auf den demografischen Wandel nicht schon viel früher handeln müssen?
Ja, es wurde sehenden Auges geschlafen. Auch mit Blick auf Geschlechtergerechtigkeit muss der gesamte Sektor der Sozial- und Erziehungsberufe im großen Stil aufgewertet werden.